Mein Einstieg ins Computer-Zeitalter
Mein Vater brachte Computer-Prospekte nach Hause. Neu gab es Computer für zu Hause – Home Computer. Bis dahin waren Computer in meiner Vorstellung grosse, kastenförmige Ungetüme, die es nur in Amerika gab. Im Prospekt war eine kleine Kiste mit einer Tastatur abgebildet. Mit einem Kabel verband man die Kiste mit dem Fernsehgerät. Der Preis lag bei etwa tausend Franken. Das war in den achtziger Jahren ein grosser Betrag.
Meinen ersten Computer bekam ich zur Konfirmation. Es war ein Moment mit Zauber – gemeint ist den Computer zu bekommen. Ich war neugierig auf den Computer. In der Verpackung lag dieses kastenförmige Ding - in weissem Styropor eingebettet, daneben ein grosses, schweres Netzteil, ein Kabel für das Anschliessen an das Fernsehgerät sowie als Ringbuch die Anleitung. Mein erster Computer war ein Volkscomputer (VC) 20 von der Firma Commodore. Lustiger Begriff rückblickend - Volkscomputer wie ein der Volkswagen. Dieses Gerät machte den Computer erschwinglicher und zugänglicher. Damals hatte er beeindruckende, für mich jedoch nichts sagende Kennzahlen, wie 3583 Byte RAM, 256 Farben, vier Tongeneratoren, 8-Bit Mikroprozessor MOS 6502.
Mit meinem Freund André startete ich meine ersten Gehversuche ins Computerzeitalter. Das Videokabel hatten wir mit dem kleinen portablen Fernseher in meinem Zimmer verbunden. Dann der magische Moment des ersten Einschaltens. Auf dem Monitor erst noch weisses Rauschen. Nochmals ein Blick in die Anleitung und die Anschlüsse. Stimmt alles. Also drehten wir an den Kanälen des Fernsehers. Nach ein paar Versuchen stabilisierte sich ein Bild. Ein grüner Rahmen, eine weisse Fläche und blaue Buchstaben. Auf dem Bildschirm stand "3583 BYTES FREE. READY." und ein erwartungsvoll blinkendes Quadrat, gemäss der Anleitung ist dies der Cursor. Er wirkte fast lebendig. André und ich schauten uns an - und jetzt? Da wir in der Schule Gleichungen mit einer Unbekannten als Thema hatten, sollte dies der Test für die Intelligenz des Computers werden. Aus den Filmen und Büchern wussten wir, dass Computer rasche Rechner und intelligent sind. Sie steuern Raumschiffe durch das Universum. Also konnte eine Gleichung mit einer Unbekannten kein grosses Problem sein. Also tippte ich “x + 3 = 5” nichts passiert. Wieder ein Blick in die Anleitung. Da gibt es eine spezielle ENTER Taste, die man zur Bestätigung drücken muss. Also ENTER. Auf dem Bildschirm erschien: ?SYNTAX ERROR READY. ERROR hörte sich nicht gut an. Vielleicht ein Fehler in der Formel? Nein, wir hatten alles richtig eingetippt. Dann war es mit der Intelligenz doch nicht so weit her. Da wir nicht weiterkamen, schauen wir ins Anleitungsbuch. Die erste Programmiersprache, die wir lernten, war “BASIC”. Unser erstes Programm hiess «HELLO WORLD».
10 PRINT “HELLO WORLD”
20 GOTO 10
Das erste Computerprogramm. Erst als wir dem Compi (wir haben ihn schon etwas in Herz geschlossen) den Befehl RUN gaben - lauf Compi lauf - druckte er endlos HELLO WORLD auf den Bildschirm:
HELLO WORLD
HELLO WORLD
HELLO WORLD …
und so weiter. Mit der speziellen Taste RUN/STOP stoppten wir das Programm. Das war ein gewaltiges Gefühl, dass wir dem Kasten Befehle geben konnten und er diese ausführte. Den Befehlswortschatz erweiterten wir rasch. Wir lernten Befehle, Schleifen, wenn-dann Bedingungen, Input und Output und die Programme wurden immer länger. Spiele fanden wir cool. Wir kauften uns ein Heft mit Programmen, die man in den Computer eintippen musste, zum Teil mehr als zwei A4-Seiten. Nachdem wir das Programm in den Computer eingetippt hatten und erwartungsvoll RUN gedrückt hatten, gab es zuerst immer ein SYNTAX ERROR in Zeile 27 oder 39 oder sonst einer Zeile. Irgendwo war ein Zeichen zu viel oder zu wenig. Der Computer war pingelig. Wir gingen auf die Fehlersuche und korrigierten diese. Dann nach einigen weiteren Versuchen funktionierte das Programm und wir konnten spielen. Mit der Zeit konnten wir die Programme verändern. Wir wussten, welche Variable unsere Anzahl Leben auf nur drei beschränkte. Also gaben wir uns hundert Leben. Dieses Unmittelbare, rasch den Code anpassen, und es wirkte war ein grossartiges Gefühl.
Am Abend ging André nach Hause, und es mussten Hausaufgaben gemacht werden. Da ich zu Beginn noch kein Speichermedium hatte, um das mühsam eingetippte Programm zu speichern, schaltete ich den Computer aus und das Programm wurde gelöscht. Es befand sich im RAM - im flüchtigen Speicher. Solange dieser mit Strom versorgt wurde, behielt er die Information. Sobald der Strom ausgeschaltet wurde, vergass er alles. Deshalb kaufte ich mir ein paar Wochen später eine Datasette. Dieses spezielle Kassettengerät schloss ich am Computer an und das eingetippte Programm wurde auf eine Musikkassette gespeichert. Wenn ich sie mit einem normalen Kassettengerät abspielte, war eine Abfolge von Pfeiftönen zu hören. Der Gesang der Bits und Bytes.
Ja ja, ich kenne das Gefühl...hatte zwar ein C-64 v aber diselbe Probleme...und Gefühle. Mit dem Nachfolger vom VC20, das Commodore C-64 eben, konnte man neben normale Musikkassetten auch Disketten verwenden um Programme zu speichern. Kostenpunkt Diskettenlesegerät: etwa 650 Fr. (!) und die Diskette fasste ca. 700 kB (und kostete 5-7 Fr = ca 1 Fr pro 100 kB oder 10 Fr pro 1 MB) .Also heute könnte man nicht einmal EIN Foto hochladen. Habe immer noch so ein Diskettenlesegerät und mehrere Disketten....
Der C-64 war dann der Nachfolger auch bei mir. Mit dem Locher machten wir auf der Seite der Diskette eine Aussparung und so konnte man die Diskette vorne und hinten bespielen. :-)