Luzerner Fasnacht - Die Flucht aus dem Käfig des Alltags
Die Luzerner Fasnacht folgt bezüglich Anzahl Teilnehmende und Publikum gleich hinter der Basler Fasnacht. Sie wird oft als Ventil für die Seele bezeichnet, als Alltagsgewitter, das Grenzen niederreisst.
Im Buch «Feste im Alpenraum» aus dem Jahr 1997 sind ihr einige Seiten gewidmet, die das Besondere der Luzerner Fasnacht auf wenigen Seiten erlebbar machen lassen. Aus ihm stammen die unten wiedergegebenen Zitate.
«Ein ohrenbetäubender Böllerschuss, genannt Urknall, ist das Zeichen für den Start der verrückten Tage, an denen die ohnehin schon geselligen Luzerner zu ihrer Bestform finden. Mit der Fritschi-Tagwacht, von der Zunft zu Safran inszeniert, wird Luzerns Altstadt zum Hexenkessel. Rund 100 Guggenmusiken (in Luzern Gugenmusigen genannt) treten auf. (… ) und sie guggen, schränzen, hornen, schmettern und kesseln alle gleichzeitig los mit Trommeln, Trompeten, Pfeifen, Xylophonen, Schellenbäumen, Hörnern, Bässen, Tschinellen und Posauen: mitreissend, spontan und gewollt disharmonisch bis zuweilen schon musikfestwochen freudig. «Luzerner Fasnacht heisst vor allem phantastischer Rhythmus», betont die bekannte Sängerin Vera Kaa, die sich die Fasnacht in ihrer Heimatstadt nicht entgehen lässt.»
Bereits vor dem Urknall fährt jeweils ein Boot mit Bruder Fritschi und seiner Fritschifamilie an Bord vom Vierwaldstättersee in Luzern am Schweizerhofquai ein. Bruder Fritschi ist das imaginäre Oberhaupt der grössten und ältesten Zunft Luzerns, der Zunft zu Safran (um 1400 gegründet).Der Fritschivater und Zunftmeister zu Safran empfängt Bruder Fritschi und geleitet ihn zum Fritschibrunnen auf dem Kapellplatz. Begleitet werden sie von Ehrengästen, der Fritschifamilie (Fritschene, die Frau von Bruder Fritschi, mit Narr, Bajazzo, Kindsmagd und Bauern) sowie von Harsthornbläsern und einigen Guggenmusiken.
«Die Fritschifamilie und derZunftmeister steigen auf das Podest und lassen sich vom Fasnachtsvolk huldigen, bevor sie es mit Unmengen von Orangen und Süssigkeiten beglücken. Brüele! – losbrüllen – schreit der Narr und heizt die ausgelassene Stimmung noch mehr an. «
Auch ein «Fötzeliregen» darf nicht fehlen: mehr als 5 Millionen «Fötzeli» aus Papier gehen beim Urknall angeblich auf die Menge nieder….
Legendär sind die Fasnachtsumzüge. Neben den rund vierzig offiziellen (beim LFK registrierte) Nummern werden meist nochmals so viele inoffizielle Nummern an den Luzerner Fasnachtsumzügen gezeigt.
Der Fasnachtsumzug am Nachmittag des Schmutzigen Donnerstag wird organisiert vom Lozärner Fasnachtskomittee (LFK). Mit diesem präsentieren sich nicht nur die Zünfte, Guggenmusigen und weitere Gruppierungen mit Wagen, auf denen kleine Bühnen aufgebaut sind, sondern dort werden auch aktuelle Ereignisse politischer und gesellschaftlicher Natur persifliert, neben ausgefeilten Phantasie-Sujets.
Für die Fasnacht wird kein Aufwand gescheut: „Übers Jahr und besonders in den letzten Monaten vor der Fasnacht investieren Luzerns kreativste Fasnächtler ihre gesamte Freizeit in den grossen Auftritt. Immer wieder hecken sie neue Sujets aus und kreieren phantastische Verkleidungen. Fleissig sägen, hämmern, kleistern und malen sie in Garagen und Hinterhöfe. Auch der Rhythmus und der typische dissonante Klang stellen sich nicht von selbst ein.“ Dabei entsteht Fasnachtskunst vom Feinsten – reif für die Bühne.
Ein Höhepunkt der Fasnacht ist der «Monstercorso», ein Umzug am darauf folgenden Güdisdienstagabend, bei dem alle Luzerner Guuggenmusigen, welche sich im Dachverband der «Vereinigten» von Luzern zusammengeschlossen haben, einen riesigen Umzug über die Seebrücke und durch die Altstadt, dem Zentrum der Strassenfasnacht, durchführen. Die Reihenfolge der verschiedenen Guuggenmusigen ist traditionell strukturiert, denn ältere Musigen dürfen im Ablauf weiter vorne laufen. Zuerst diejenigen, welche sich in einem Jubiläumsjahr befinden, danach ihrem Alter nach. Dabei werden keine oder nur sehr kleine Wagen mitgeführt. Grössere hätten in den engen Gassen der Luzerner Altstadt keinen Platz. Das Ereignis gestaltet sich als ein einziges, wild-rhythmisches Dröhnen der Blas- und Schlaginstrumente in einer ausgelassen tanzenden Menschenmenge.
Das Wilde und Ausgelassene kommt an der Luzerner Fasnacht an vielen Orten zum Zug. Ein Beispiel: „Bekannt, gefürchtet und doch beliebt sind die Krienserdeckel und Wöschwyber, ungehobelte Gestalten mit derben Holzmasekn, rotweiss karierten Kleidern und gestärkten Spitzenunterröcken überhaarigen Männerbeinen. Sie nähern sich ihren Opfern mit wilden Sprüngen, erschrecken sie, umhalsen sie zum Gaudi des Publikums oder reissen sie grob umher.„
„ Die traditionellen An- und Abstandsregeln sind in Luzern an den drei verrücktesten Tagen des Jahres ausser Kraft. Alles hüpft, tanzt und lacht in de dichtgedrängten Menge. (….) Wie kaum anderswo, kann man sich hier von Zwängen befreien und seine Wünsche ausleben: als Hexe oder Prinzessin, Gespenst oder Phantom, Frosch oder festlich gekleidete „Zünftler“. Masken und Verkleidung laden ein zum lustvollen Rollentausch, heben Grenzen und Barrieren auf. Fasnacht, sagt man in Luzern, entrümple die Seele. „
SRF hat die Luzerner Fasnacht von 2011 ausführlich dokumentiert. Sie können den Beitrag von diesen ausgelassenen Tagen bei strahlendem Wetter via diesen Link ansehen: srf.ch/play/tv/fasnacht/video/....
Literatur:
• Margrit Thüler (Red.): Feste im Alpenraum. Migros-Presse, Zürich 1997, ISBN 3-9521210-0-2, Seite 84–91
• Karl Lüönd: Trommeln, Träume, Traditionen. Die Luzerner Fasnacht in Wort und Bild. Harlekin, Luzern 1972
• Silvio Panizza (Hrsg.): Faszination Lozärner Fasnacht, 3 Bände. Verlag Lozärner Fasnachtsfüerer, ISBN 3-9521102-0-5
o Band 1: Die Guggenmusigen, Luzern 1988
o Band 2: Geschichte, Zünfte, Umzug, Fasnachtsbälle, Luzern 1989
o Band 3: Brauchtum – Fasnachtskunst, Luzern 1996
• Margrit Thüler (Red.): Feste im Alpenraum. Migros-Presse, Zürich 1997, ISBN 3-9521210-0-2, Seite 84–91
• Emanuel Ammon (Hrsg.): Luzerner Fasnacht, Eine Zeitreise durch zwei Generationen (Bildband). Aura, Luzern 2005, ISBN 3-033-00508-X
• Emanuel Ammon (Hrsg.): JoDu-Fäscht: Luzerner Fasnacht 2008 (Bildband). Aura, Luzern 2008, ISBN 978-3-9523375-0-9
• Wikipedia-Artikel zur Luzerner
Fasnacht: https://de.wikipedia.org/wiki/Luzerner_Fasnacht
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Langsamverkehr ist in aller Munde...Momente der Geruhsamkeit in der Hektik des Alltags, beispielsweise bei der Fahrt mit der Standseilbahn vom Central zur Polyterrasse. UnsereGeschichte lädt ein zum Zeigen von Dokumenten zu solchen Momenten, beispielsweise in der Galerie https://unseregeschichte.ch/galleries/langsamverkehr.