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Mit Paul Herger zusammen im Spital Auf Top-Liste gesetzt

1 Januar 1962
Kantonsspital Luzern
Bruno Birrer

Eine Ergänzung zur Unfall-Geschichte von Paul Herger unter https://unseregeschichte.ch/entries/XRbKgNkzM5V

Im Sommer 1961 wurde ich wegen einer schweren Knochenhautentzündung an Knie und Oberschenkel notfallmässig eingeliefert. Ein rostiger Nagel im Fuss hatte mir das eingebrockt. Die Behandlung zog sich in die Länge, so dass ich den Jahreswechsel ins 1962 im Zimmer 64 der Chirurgie im Spital Luzern verbrachte. Da alle Mitbewohner vor den Festtagen entlassen worden waren, fühlte ich mich doch recht einsam.

Das Zimmer war gross, hoch und hell, dank Fenster an zwei Seiten. Aus dem einen hatte man Aussicht auf die Frauenklinik. Im Hochparterre gelegen, war vor allem der Blick auf den Weg zur Zentralapotheke lohnenswert. Als Zimmerältester hatte ich den Fensterplatz inne und konnte so das Personal beobachten und den Auserwählten zuwinken.

Aber ich sollte doch noch Gesellschaft bekommen. Ein Paul Herger wurde in „mein“ Zimmer geschoben. Er war eingeliefert worden, nachdem er 34 Meter tief bei einem Sturz aus der Seilbahn verunfallt war. Allerdings war an ein Gespräch nicht zu denken. Soeben aus der Narkose erwacht litt er furchtbare Schmerzen.

Unsere Abteilung unterstand dem Regiment von Besançon-Schwestern als Stationsleiterinnen. Die Südseite (unsere) betreute Schwester Beeli, die Nordseite Schwester Rogger. Obwohl zum selben Orden gehörend, waren sie doch recht verschieden und auch nicht immer gleicher Meinung. Schwester Beeli schloss Paul sehr schnell ins Herz. Sein gutmütiger Gesichtsausdruck und seine Geduld waren ausschlaggebend.

Zimmer 64 hatte einen besonderen Ruf: ein 10-er Männerzimmer! Es war kein einfaches Arbeiten für junge Lernschwestern. Aber Oberpfleger Hurni, ein Papa-Moll-Typ, konnte den ihm verpassten Namen „Wärter“ nicht ausstehen. Seine Antwort: „Aff, wotsch en Banane?“ Fräulein Klara sorgte mit ihrem sonnigen Gemüt für Ordnung und Wohlbefinden bei uns, war aufmerksam und merkte gleich, wer was brauchte.

Dank dem tagsüber hektischen Betrieb konnte Paul die Schmerzen einigermassen ertragen, doch die Nächte waren schwierig und einsam. Seine Gedanken kreisten oft um die 34 Meter, meine um die wenigen Millimeter, die die Blutsenkung hätte sinken sollen, um endlich meine Entlassung zu sichern. Paul und ich selbst mussten stets auf dem Rücken liegen, für beiden eine ungewohnte Position. Inzwischen waren alle 10 Betten besetzt und der Geräuschpegel entsprechend hoch. Paul fand ein Mittel gegen seine Schlaflosigkeit, denn die Schmerzen im Rücken konnte auch das Einreiben mit Hurnis Franzbranntwein nicht lindern. Vor dem Lichterlöschen liess er sich 2-3 Gläser Tee bringen, er habe öfters Durst in der Nacht, meinte er. Kaum war die Nachtwache auf Tour, goss ich einen Teil des Tees in seine Urinflasche und füllte mit „Romooser“-Wasser (hochprozentiger Eigenbrandschnaps) nach. Paul war durch seine Verletzungen sehr behindert, ich aber konnte beide Hände gebrauchen. Wenn nötig, wiederholte ich die Prozedur nach der Mitternachts-Runde der Nachtschwester.

Am Sonntag besuchte Frau Herger ihren Mann und brachte gelegentlich ein „Romooser“-Kaffee mit. Dieser hatte es in sich. Davon durfte ich auch einmal trinken – ich war ja bereits 18, allerdings noch nicht so geeicht, denn ich verschlief die gesamte Besuchszeit.

Für Paul war es ein ungeheures Erlebnis, als er von der Liegeposition in eine sitzende am Bettrand wechseln und mit dem Rollstuhl auch mal aus dem Zimmer fahren konnte. Sein Schlafmittel konnte er nun selbständig zubereiten.

Nach etlichen Wochen konnte er endlich das Spital verlassen. Ich erlebte noch einen weiteren einsamen Jahreswechsel und darüber hinaus in diesem Raum. Zum Trost brachte mir Schwester Beeli eine Zigarre und ein Glas Glühwein ins Zimmer.

Mitpatient Bruno Birrer aus Reiden

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21 Februar 2024
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