Aus dem Leben der Verena Huter-Sidler 3. Wegzug aus Niederuster
3. Wegzug aus Nieder-Uster
1933
Ich war wohl etwa 10 Jahre alt, und wieder bei Lehrer Schaufelberger in der 4. Klasse, als ich merkte, dass unser Zuhause nicht mehr so war wie früher. Es war nichts Greifbares, aber es war da. Meine Eltern stritten sich zwar selten vor uns Kindern, oft aber bemerkte ich, dass sie sich gegenseitig böse waren. Es waren nicht die kurzen, aufbrausenden Zankereien, die es vorher auch gab (und wohl in jeder Ehe), nein, es war etwas Andauerndes, etwas lag in der Luft, und zwar nichts Gutes.
Eines Nachmittags kam ein grosser Mann zu uns. Mutter hiess mich den Mann begrüssen. Es war J.H., unser Geldgeber, was ich übrigens damals nicht wusste. J.H. sagte, er müsse unbedingt etwas mit den Eltern besprechen. Sie schickten mich hinaus. Ich stand im Hof, als ich sah, wie J.H. unser Haus eilig verliess. Meine Eltern standen unter der Türe, J.H. hielt ein grosses Papier in der Hand und rief: "So, jetzt han ech verwütscht". Das ist mir in Erinnerung geblieben und auch die betroffenen Gesichter meiner Eltern. Jahre später erzählte mir meine Mutter, J.H. sei gekommen und habe ihnen erzählt, er könne in ein grosses Geschäft einsteigen mit Bührer-Traktoren. Allerdings verlangten die genügend Sicherheiten, und so hätten sie dann unterschrieben, dass Haus und Hof ihm gehörten. Sie hätten keinen Grund gehabt, dies nicht zu tun, denn er hätte uns ja damals das Geld auch auf Gut und Glauben gegeben. Als ich erwachsen war, hätte ich gerne Näheres gewusst. Da ich wusste, dass meine Mutter und wohl auch mein Vater nie ganz fertig geworden sind mit dem, was sich damals abspielte, brachte ich es nie fertig, in dieser Wunde zu bohren. Natürlich fragte ich mich später oft, was wohl dieser Sache vorausgegangen war, ob wohl meine Eltern ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen oder mit den Zinsen und Abzahlungen in Verzug geraten seien. War vielleicht J.H. öfters nach Nieder-Uster gekommen und war unzufrieden mit dem, was er sah? Haben meine Eltern schlecht gewirtschaftet? Ich weiss es nicht. Wie dem auch war, mir stand es nicht zu, ein Urteil zu fällen.
Ich war zwar weiterhin eine gute Schülerin, aber mein Selbstbewusstsein hatte ich verloren. Als wieder ein Examen nahte, und unser Lehrer fragte, wer etwas vortragen möchte, da meldete ich mich nicht, und als er mich fragte, ob ich nicht eines der gelernten Gedichte aufsagen wolle, sagte ich entsetzt; "Nein, bitte nicht". Als ich eines Tages aus der Schule kam, standen viele Kisten, Schachteln und Zainen herum, angefüllt mit allerlei Hausrat, Wäsche, usw. Chasper wusste meistens über alles Bescheid, und so fragte ich ihn, was wohl los sei. "Was soll denn los sein; Wir zügeln." Wohin? Nach Tann-Rüti. Chasper und ich hatten uns gut eingelebt in Nieder-Uster. Wir gingen beide sehr ungern weg. Es war nicht der gleiche Schmerz wie der Abschied aus Adligenswil, aber es tat auch weh, nur auf eine andere Art.
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