Von Bac Giang (Vietnam) nach Zürich - eine Auswanderungsgeschichte
Von Bac Giang (Vietnam) nach Zürich - eine Auswanderungsgeschichte
Geboren und aufgewachsen bin ich in Bắc Giang, im Norden von Vietnam. Mein Vater besass ein kleines Unternehmen, das Lederwaren produzierte. Er hatte selbst die Schrecken des Krieges erlebt, und der Krieg war auch noch überall sichtbar. Es gab viele Missgeburten wegen den amerikanischen Kampfgiften und viele Missbildungen bei Neugeborenen. Zwei Kinder von Verwandten beispielsweise wurden mit sechs Fingern geboren.
Ich absolvierte die Oberschule und suchte anschliessend eine passende Arbeit. Weil ich keine bekam, dachte ich mehr und mehr an das Auswandern, um ausserhalb von Vietnam eine bessere Zukunft zu finden. Diese Idee nahm mehr und mehr Gestalt an, auch weil ich auf keinen Fall die übliche Rolle als Hausfrau und Mutter im Haushalt eines Ehemannes übernehmen wollte. In Vietnam dominiert die Mutter des Ehemanns den Haushalt, die Schwiegertochter hat sich ihr zu unterwerfen. Konflikte oder gar ein eigentlicher Kleinkrieg sind daher vorprogrammiert…Den Alltag mit einer ewig unzufriedenen Schwiegermutter, deren Leben auf den Haushalt beschränkt ist, und die immer einen Grund zum Nörgeln findet, stellte ich mir als Hölle vor. Eine solche Zukunft kam für mich gar nicht in Frage.
Glücklicherweise hatte ich Verwandte in der Tschechei, welche die Reise nach Europa bevorschussten und die Fomalitäten einer Einreise erledigten: eine Tante wohnte in Pilsen, ein Onkel in Prag. Zwar hattte ich sie nie gesehen vorher, aber als Verwandte hilft man sich. So flog ich also nach Tschechien, mit Süsskartoffeln und Reis im Gepäck – ein vertrautes und begehrtes Stück Heimat…
Nach etlichen Stunden Flug stand ich endlich in Prag am Flughafen, aber niemand wartete auf mich. Meine Tante hatte fest versprochen, mich abzuholen. Da ich keine europäische SIM-Karte hatte, konnte ich ihr nicht telefonieren, und ich war für sie nicht erreichbar. Den Tränen nahe wartete ich einige Stunden, voller Angst und mit einem tiefen Gefühl des Verlorenseins in einer fremden Welt. Endlich kam sie - sie war im Verkehr stecken geblieben – und meine Erleichterung war enorm.
Der Start in Tschechien war schwierig. Vietnamesen hegten eine gewisse Abneigung gegen Tschechen und Tschechinnen, weil ihre Kultur sehr im Gegensatz zur Kultur in Vietnam stand. Zudem konnte ich mich kaum verständigen: Englisch hatte ich nur in der Schule gelernt und ich konnte mich damit kaum verständigen. Ich versuchte, Tschechisch zu lernen, aber bereits nach einer Privatstunde gab ich es auf…die Sprache war so schwierig für mich. Zumindest lerne ich die Zahlen auf Tschechisch und einige Wörter, die mir die Tante beibrachte. So konnte ich für sie tagsüber auf dem Flohmarkt arbeiten. Zusätzlich arbeitete ich nachts in einer Textilfabrik, um etwas Geld zu verdienen. Ich hängte dort Kleider auf.
Die beiden Arbeiten erschöpften mich so sehr, dass ich eines Tages zusammenbrach und in ein Spital gebracht wurde. Dieses wies mich jedoch ab, weil ich nur ein Visum B hatte. Erst das zweite Spital nahm mich auf. Wegen meiner asiatischen Herkunft vermuteten die Ärzte eine ansteckende Krankheit und isolierten mich während einer Woche vollständig. Meine wenigen Sprachkenntnisse genügten nicht, um das Missverständnis aufzuklären. So verbrachte ich eine furchtbare Woche in vollständiger Isolation. In Vietnam ist man nie allein, so war die Einsamkeit für mich völlig ungewohnt und schrecklich; nur das Singen brachte mir eine gewisse Erleichterung. Nach meiner Entlassung aus dem Spital war ich noch mehr motiviert, die tschechische Sprache zu lernen. Eine einheimische Freiwillige half mir dabei, und mit den neuen Kenntnissen bestand ich die Prüfung für die Niederlassung C. Ich lernte einen netten vietnamesischen Mann kennen, wir heirateten und ich gebar bald darauf eine Tochter. Die Ehe lief jedoch nicht gut, ich trennte mich von ihm.
Insgesamt verbrachte ich acht Jahre in Tschechien, bis ich in München einen tschechischen Mann kennen lernte, mich in ihn verliebte und ihn auch als neuen Vater für meine Tochter sah. Er wohnte bereits seit einigen Jahren in der Schweiz. Nach drei Monaten des Zusammenseins heiratete ich ihn, und ich zog mit meiner Tochter zu ihm nach Adliswil. Hier baute ich mir nun ein neues Leben auf, und diesmal glückte der Start: ich besuchte sehr früh einen Deutschkurs und begann mit dem Aufbau eines Nagelstudios. Dieses bestand ursprünglich nur aus einem Tisch in einem bestehenden Nagelsalon in Adliswil. Dann aber ich konnte ich einen eigenen Salon in Wollishofen eröffnen.
Guten Tag Trang
Der wirkliche Traum heisst Mensch welches Land auch immer
Danke für's Teilen
Renata