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Kinder - Winter...und ein trauriges aber auch schönes Erlebnis auf dem zugefrorenen Zürichsee.

Kinder - Winter...und ein trauriges aber auch schönes Erlebnis auf dem zugefrorenen Zürichsee.

1963
Elisabeth Ursprung

Die Kinder-Winter rochen für mich nach Schnee, Kälte, Regen, nassen Kleidern, nassen Schuhen. Und zuhause in der Wohnung nach Holz, Feuer, Schwefel. Meine Mutter heizte den Holzofen in der Stube, den einzigen in der Wohnung, frühmorgens ein. Bis wir dann aufstanden war es schon einigermassen warm. Neben dem Ofen stand ein hoher, schmaler Kohlenkasten. Die Aufgabe meines Bruders war es, diesen Kohlenkasten regelmässig mit Kohlen aus dem Keller aufzufüllen. Während des Tages liess man alle Türen in der Wohnung offen, damit sich die Wärme auch in den Schlafzimmern ausbreiten konnte.

Sobald auch nur eine Schneeflocke zur Erde taumelte, rannten wir in den Keller und holten unsere „Davoser-Schlitten“ hervor. Vorne links auf dem Schlitten war das Firmenlogo „Davos“ eingebrannt.

Unser „Ski-Gebiet“ lag auf der „Grossen Egg“, oberhalb des Schulhauses „Im Lee“. Kein steiles Gelände, aber immerhin steil genug um schlitteln zu können. Wenn es kalt genug war, machten der Hauswart und unser Lehrer auf dem Pausenplatz ein Eisfeld. Zwar war die Eisfläche nicht spiegelglatt, es hatte grössere und kleinere Eisbuckel an der Oberfläche, aber in der grossen Pause und an den freien Nachmittagen war das unser Treffpunkt.

Schlittschuhe erhielt ich erst an der Seegfrörni 1963. Bis dahin hatte ich sie nicht vermisst, aber als der See zufror, gab es sicher kein einziges Kind mehr in der Stadt, das nicht auch mit Schlittschuhen auf den See wollte. Weiss sollten sie sein, das war der einzige Wunsch, den ich hatte, als meine Mutter in die Stadt ging, um die Schuhe für mich zu kaufen. Sie kam zurück mit einem braunen Paar. Die Enttäuschung war riesig. Die Form der Schuhe war zwar schön, richtige kleine, schmale Stiefeletten, die meine Knöchel umschmiegten – aber die Farbe!!! Meine Mutter erklärte, dies sei das einzige Paar in meiner Grösse gewesen, das sie habe ergattern können. Alle Geschäfte seien regelrecht geplündert worden. Nur eben, jene Mädchen, die ich kannte, die schon länger Schlittschuh liefen, die dafür sogar Unterricht bekamen, die besassen eben alle weisse. Und ich hatte jetzt ein doppeltes Problem: Hässliche Schlittschuhe und eislaufen konnte ich auch nicht.

Trotzdem, auch ich ging mit meinen Freundinnen auf den Zürichsee. Unfassbar, dass man über das Wasser gehen konnte wie Jesus in der Bibel. Überall an den Einstiegsstellen zum gefrorenen See standen Punsch-, Marroni- und Bratwurststände. Es roch himmlisch. Einmalig war das. Alt und Jung, alle wagten sich auf das Eis. Zuerst vorsichtig, ungläubig, lachend, Hand in Hand, Arm in Arm. Mit Schlitten, Hunden, Kinderwagen, Skis, sogar Rollstühlen. Ab und zu fuhr ein Eisschlitten mit Polizisten an Bord vorbei. Sie kontrollierten die Menschenmasse und sorgten für Ordnung. Meine Freundin und ich fuhren, gingen, torkelten ans andere Ufer, bis vor die „Fischer-Stube“. Als ich auf den Boden blickte um meinen heruntergefallenen Handschuh aufzuheben, sah ich unter der klaren, dicken Eisplatte eingefrorene Enten. Sie wurden buchstäblich bei lebendigem Leibe eingefroren. Die schönen Vögel waren völlig unversehrt, wie ausgestellt in einer gläsernen Vitrine, einem gläsernen Sarg. Unvermittelt kam mir „Schneewittchen“ im Sarg in den Sinn. Ich konnte mich kaum sattsehen an diesem Bild. Schön und traurig zugleich.

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23 März 2023
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