Die 'Meid' des Söldners Brandenberger
Die 'Meid' des Söldners Brandenberger
Ein eindrückliches Beispiel von kolonialer Sichtweise in einem Brief an die Familie:
"Willem I den 28. März 1908
Liebe Eltern und Geschwister
Euern Brief habe den 2. dieses Monats erhalten und gelesen, dass ihr fröhliche Weichnachten und Neujahr gefeiert habt, was auch mich von Herzen freut. Bei uns und diese Tage der grossen Freude ebenso tonlos vorübergegangen als jeder andere Son- oder Feiertag. Einzig am ersten Weihnachtstage beim Hause des hiesigen Missionärs gewesen und habe mihr da die Gabenverteilung mit angesehen und den künstlichen Baum. Schnee hats eben hier immer noch keinen! Das Neujahrsgeschenk habe Sylvestermiddag erhalten, herzlichen dank dafür.
Die Hälfte habe auf die Sparbank gesetzt, vom andern einige Schnappereien, auf Neujahr und einige Kleidungsstücke führ die Meid gekauft als Geschenk zum europäischen neuen Jahr.
„taven barve Canda". Bin mit ihr auch ganz gut zufrieden, versieht die Hausgeschäfte ausgezeichnet. Hat keinen grossen Mund; auch eine gar seltene Tugend der Weiber; was aber bei mihr unbeding nötig ist kann eben immer noch herzlich wenig verdragen vom zarten Geschlecht. Im beginne wahr dann auch zu verschiedenen mahlen „rebellion" fortissimo die aber dank ihrem guten Carackter und leichtem Begriff ins „pianissimo" eingelenkt hat.
Kochen und flicken, ersters wenn Geld genug ist selbst auf ganz Europäische Weise; und das zweite ohne dass man erst sagen muss. Hat schon mit 9 Jahren mit ihrer Mutter meistens bei Officieren gedient. Ist dann mit 16 Jahren mit einem inlandischen Soldaten gesetzlich geheiratet worden nach einem Jahre, weil Schläge und Hunger die Hauptrolle spielten, weggelaufen, hat dan wieder etwa_ Jahre gedient, um dan zuletzt bei einer Herrschaft zu kommen, die nicht einmahl die elendigen 5 Franken per Monat bezahlte, dass sie Monate
umsonst gearbeitet hatte. An ihre Mutter eine herzlose, nuhr an sich selbst denkende Frau musste sie überdies das wenige Geld abgeben und die Kleider wanderten stük führ stük, für die Mutter ins Pfandhaus, sodass tun sie bei mihr gekomen ist nicht viel mehr hatte als einen „ lappen" wie man öfter in den fliegenden Blättern sieht, nuhr in etwas grösserer Form. Ihre Mutter, sehend, dass ich der Meid wieder auf die Beine half, dachte dan auch schon den dummen „August" gefunden zu haben, jedoch ich sie direct auf „preussische Unterofficiersmanier" eines bessern belehrt ist ihr der Schrecken gleich gewaltig in die Beine gefahren, so dass ich so ziemlich meine Ruhe habe. Die Meid ist nun ungefähr 19 Jahre alt, ist aber auf der gesandten Photographie sehr schlecht getroffen. Werde in einigen Monaten wenn möglich nochmals eine machen lassen.
Mit dem beginne der Trockenzeit tun Kurs und Bauchkrankheit wieder ihren Rundgang, jedoch noch nicht in gefährlicher Weise."
Soweit der Brief, der die koloniale Denkweise jener Zeit gut wiedergibt.
Im NZZ-Artikel vom Juni 2024 charakterisiert Giorgio Scherrer die Umstände der Beziehung zwischen der "Maid" und dem Söldner Heinrich Brandenberger sehr treffend:
Titel des Artikels: "Heiri Brandenberger flieht vor der Armut in eine brutale Kolonialarmee. Mit 30 hat er kein Geld und keine Zähne mehr. Tod, Hunger, Elend – und, vielleicht, die grosse Liebe: das wenig glorreiche Leben eines Schweizer Kolonialisten.
Zitat aus dem NZZ-Artikel:
"Mit etwa 17 trifft Sampet den Zürcher Heiri Brandenberger. Sie wird 1907 seine Haushälterin und seine Konkubine. In der Kolonie eine übliche Praxis, die von den Behörden toleriert, ja gefördert wird. Denn die einheimischen Frauen verbessern die Verpflegung der Söldner und lindern ihre Frustration. Rechte haben sie allerdings nicht.
«Ich begreife den Europäer nicht, der sich ein solches Stück auf die Companie nimmt», hat Brandenberger noch zwei Jahre zuvor geschrieben. Nun freut er sich über die «mehr oder weniger europäischen Manieren» seiner «Maid», ihren «guten Charakter» und darüber, dass sie «keinen grossen Mund» hat. "
Hier der Link auf die Galerie zu Heinrich Brandenberger.
(Foto: Nachlass Heinrich Brandenberger im Schweizerischen Sozialarchiv Zürich)
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