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Musikreise  über den Gotthard: Frohsinn Grosswangen 1913

14 Juli 1913
Herbert Hodel
Joe Kurmann

FROHSINN GROSSWANGEN

Auszug aus dem Protokoll

Die Musikgesellschaft FROHSINN GROSSWANGEN hat beschlossen, am 14./15. Juli 1913 eine Reise über den Gotthard zu machen.

Der Bericht über die Reise ist im Protokollbuch der FROHSINN enthalten. Er wurde vom damaligen Kassier Jean Winiker, Bäckermeister (bei der Bäckerei im Dorf beim Kreisel) verfasst, und zwar in der alten deutschen Schrift gehalten.

Herbert Hodel-Steiner, ehemaliger Aktuar und Archivar, hat den Bericht transkribiert und in einer heute verständlichen Art festgehalten. 111 Jahre später hat er ihn an der Generalversammlung der FROHSINN am 28.3.2024 im Restaurant Pinte Grosswangen vorgelesen. Grosser Applaus !

Die Zeit ist nicht stehen geblieben.

Einige Bemerkungen sind daher zum besseren Verständnis sehr dienlich.

1896 wurde die Feldmusik-Gesellschaft FROHSINN gegründet. Der Vereins-Namen wurde 1936 in Musikgesellschaft FROHSINN und 1989 in Brass Band FROHSINN geändert.

Zur Gründungszeit zählte man in Grosswangen um die 10 Telefonanschlüsse.

Die Auto-Besitzer konnte man an einer Hand abzählen und

im Dorf beleuchteten 6 elektrische Lampen die Plätze und Strassen.

Man bewegte sich zu Fuss oder mit einem Pferdefuhrwerk.

Bis 1918 wurde Grosswangen täglich mit einer Postkutsche mit der Aussenwelt verbunden.

Sie führte von Willisau-Ettiswil-Grosswangen-Buttisholz zur Bahnstation Nottwil.

Eine bereits bewilligte Bahnlinie wurde wegen den Wirren des 1. Weltkrieges abgesagt.

1918 wurde die Automobilgesellschaft Rottal AG, Ruswil, mit der Unterstützung aller

Rottal-Gemeinden gegründet, die dann die Verbindung zur Aussenwelt herstellte.

Hier nun der Bericht aus dem Protokoll-Buch der FROHSINN, vorgetragen an der GV der FROHSINN am 28.03.2024 (nach 111 Jahren) im Restaurant Pinte, Grosswangen, vom ehemaligen Aktuar & Archivar Herbert Hodel-Steiner.

FROHSINN Grosswangen Auszug aus dem Protokoll

Musik-Reise über den Gotthard

Die grosse Reise findet statt am 14. & 15. Juli 1913.

Morgens um 04.00 Uhr war Tagwache und dann um 05.30 Uhr Abmarsch nach Nottwil, zur Bahn-Station. Der Zug brachte uns nach Luzern, wo wir den Aufenthalt von etwa 1 1/2 Std. für einem kleinen Morgen-Imbiss benutzten.

Etwa um 08.30 Uhr war in Luzern die Abfahrt per Schiffs nach Flüelen. Aber oh Weh, beim Appell in Luzern fehlte unser B-Hornist.

Ein unterdessen eingelaufenes Telefon machte Bericht, er werde im nächsten Zug nachkommen, welcher in Luzern ebenfalls Anschluss auf das gleiche Schiff haben soll. Präsident David Wüest und ein Musikant wurden beordert, den Mann - den B-Hornist – auf dem Bahnhof zu empfangen und sofort an das Schiffsgelände zu bugsieren, ,,,,es eilte,,,,, die Zeit für den Umstieg war sehr kurz bemessen. ---- Aber.......der Zug hatte etwas Verspätung.

Wir warteten bei der Schiffstation, derweil der Kassier Jean Winiker bereits an Bord stieg. Winiker hatte die Kollektiv-Billette bei sich. Er wollte mit dem Schiffs-Offizier und dem Kapitän verhandeln, um den Zug von Nottwil abzuwarten. Aber diese hatten kein Musikgehör.

Das Schiff hupte und fuhr ab...... Wir standen am Ufer und schauten, nicht ganz liebenswürdig, dem Schiff nach. Wir beschaften das Zugsbillet von Luzern bis Küssnacht und konnten zum Glück dafür genügend „Münz“ auftreiben. Wir fuhren mit dem Schnellzug nach Küssnacht und holten so das Schiff wieder ein. Unser Musik-Trio konnte beim Eintreffen des Schiffes keinen Touch spielen, das war ja nicht möglich, weil das Mundstück des B-Hornisten fehlte !

Unter dem sonnigen Wetter über dem Urner-See und dem Reusstal hinauf, gelangten wir in Göschenen an, wo uns ein solennes Mittagessen wartete. Hier in Göschenen konnte Ersatz für das bereits in Nottwil verlorene Mundstück beschafft werden.

Nachdem wir den knurrenden Magen befriedigten und unsere Reiselaune über das gehabte Pech mit einem guten Topfen wieder hergestellt hatten, hiess es: Abmarsch gegen Andermatt.

Unter Singen und Jauchzen legten wir die erste Hälfte des Weges zurück. Immer höher und höher ging es. Welch' Felsenwunder !

Himmelhoch, links die tosende Reuss in tiefer Schlucht, Felsengalerien, dann um einen scharf vorspringenden Felsenkoloss und wir standen auf der Teufelsbrücke. Da wurde es plötzlich still unter den Mannen beim Anblick dieses gewaltigen Naturschauspiels. Donnernd und brüllend, hundert und mehr Meter tief die Reuss, eingezwängt in senkrecht hinuntersteigende Felsen, die Brücke als einziger Durchgang, rechts und links darüber in Felsen geborgen unsere Festungen. Kein Wunder, wenn man schon etwas still wurde unter dem Eindruck des Geschauten.

Nach etwa fünf Minuten erreichten wir aus der Felsengalerie das Dorf Andermatt. Nachdem wir das Bergdorf etwas betrachtet und wir uns durch ein Zobig gestärkt hatten, marschierten wir gen Hospental und dem Gotthard-Hospiz zu.

Oberhalb Hospental kam die Gesellschaft etwas auseinander. Die Einen nahmen die gute Strasse, andere verstiegen sich in die Höhen, um Alpenrosen zu suchen, auch um den Weg etwas abzukürzen, was gelegentlich ins Gegenteil umschlug, verbunden mit einigen Rutschpartien, damit die gute Strasse wieder erreicht werden konnte. Einer wählte in seinem tollen Übermut sogar das Reuss-Bachbett als Fussweg, sprang von Stein zu Stein um vorwärts zu kommen, erklettere da und dort einen Felsblock, rief uns zu und liess seine schönsten Soli erklingen. Es war .....???? der B-Hornist !!!

Unterdessen fing der Himmel tief an zu bewölken und bald setzte, zu unserem Leidwesen, ein feiner Regen ein. Nichtsdestoweniger wurde tapfer weitermarschiert und so erreichten die Ersten um 8 Uhr, die Letzten um 9 Uhr, beim zum Abstechen dicken Nebel, das Hospiz.

Sofortiger Antritt zum Nachtessen, welches schon italienische Kochkunst verriet. Es tat unserem Hunger kein Abbruch und wir langten tapfer zu. Bald lichteten sich die Reihen, denn nach dem Tag gehabten Strapazen suchte jeder bald zur Ruhe zu kommen und wann die letzten sich von Zimmermädchen und von den Küchenfees verabschiedeten, kann der Berichterstatter nicht sagen.

Bei Regen, Blitz und Donner verlief die Nacht und bald war wieder Tagwacht. Ein jeder erhob sich aus seinem Bett, wann er wollte, die einen früh, die andern spät. Die Losung war 07.30 Uhr Morgenessen. Der Schreiber dieses Reiseberichtes (Jean Winiker) und einige andere benutzten die Zeit, vor demselben zu einem kleinen Rundgang, Besichtigung der Festung von aussen, ringsum Schnee- und Gletscherfelder. Inmitten der stillen Wasser des Hospiz-Sees.

Ein starker Regen trieb uns wieder unter Dach. Nach dem Morgen-Imbiss hiess es, auf, fort, dem Süden zu ! Nebelschwaden und Sonnen-Blicke wechselten miteinander und wir kamen jenseits des Gotthards, was die Fernsicht anbelangt, nicht auf unsere Rechnung. Immerhin wurden wir vollauf in Anspruch genommen mit dem Abschneiden der Alpenrosen und voll Bewunderung betrachteten wir die grossartig angelegte Strasse, welche uns jenseits des Gotthards zu Tale führte.

In guter Stimmung erreichten wir Airolo, den Eckstein italienischer Zunge. Ein flottes Mittagessen, gewürzt mit einigen Musikstücken, brachte uns bald in gehobene Stimmung, wobei der feurige „Italiener“ (der Wein), auch das Seinige beitrug. Das Strengste war ja, zur Zufriedenheit Aller, überwunden.

Heiss war es auch, weil zwei Meinungen durch Abstimmung bereinigt werden mussten. Die Einten wollten heim zu, die Andern sagten, sind wir jetzt da, so wollen wir noch etwas weiter, etwa bis Bellinzona hinunter. Das „Heimwärts“ siegte und so wurde dann die Rückreise mit der Bahn durch den grossen Tunnel angetreten.

In circa 20 Minuten durchstiessen wir den Berg, über den wir zirka 8 – 10 Stunden marschiert und so Lehrreiches von Gottes schöner Natur und ein Stück Schweizer-Geschichte gesehen haben.

Noch ganz unter dem Eindruck des Geschehenen, erreichten wir Luzern und damit schon wieder heimatlichen Boden.

Was in Dort, in Luzern und Daheim in Grosswangen noch alles gelaufen ist bis der Letzte in die Federn kam, oder vielleicht im Traum gesehen und nochmals durchgemacht hat, ...Schwamm darüber.....

Der 14.und 15. Juli 1913 bleibt ein Gedenkblatt in der Geschichte des FROHSINN, wie übrigens auch jedes Musikfest. Mögen uns noch viele Solche beschieden sein.

Der Berichterstatter: Jean Winiker

Der Archivar: Herbert Hodel

Grosswangen, 28. März 2024

FROHSINN/1913ReiseGotthard

Text zum obigen Bild

- Der Gesellschaftswagen der Frohsinn Grosswangen vor der Krone und der Scheune vom Lindenhof.

- Der Wagen war 1922 bei der Helvetia Feuerversicherungsgesellschaft samt Zubehör für Fr.1000.- versichert.

- Am 4.Juni 1993 brannte das Restaurant Krone samt Anbauten und Saal total nieder und wurde nicht wieder aufgebaut.

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Joe Kurmann
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21 Oktober 2024
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