Interview der Schulklasse 3Aa, Männedorf mit Katharina Spörri, 25.10.2024
Interview der Schulklasse 3Aa, Männedorf mit Katharina Spörri, 25.10.2024
Zur Person
*Katharina Spoerri, geborene Egli, kam 1941 auf die Welt. Sie wuchs in einer einfachen Familie auf, mit Vater, Mutter, einer Schwester und ihren Grosseltern. Ihr Vater war Friedhofsgärtner, ihre Mutter Verkäuferin.*Als Katharina noch ein Kind war, lebte die vierköpfige Familie in einer Vierzimmerwohnung in Zürich-Leimbach. Als der Grossvater starb, zogen alle bei ihrer Grossmutter ein, welche eine grössere Wohnung mit Garten hatte.
Katharina Spoerri machte nach der Sekundarschule eine Lehre als Gärtnerin und arbeitete danach im Botanischen Garten in Zürich.
Mit 20 Jahren engagierte sie sich im Internationalen Zivildienst. Die Freiwilligen sammelten und verkauften Bücher, um Geld zu spenden. In Griechenland half sie den Bauern auf dem Feld Wasserleitungen zu legen. Einen Monat lang leistete sie auch im Spital freiwillige Dienste.
Katharina heiratete mit 22 Jahren und bekam drei Kinder. Neben dem Haushalt und der Familie machte sie verschiedene Jobs, um Geld dazuzuverdienen. Unter anderem arbeitete sie auch als Garten- und Kompostberaterin bei einer Gemeinde.
Mit 34 Jahren liess sie sich scheiden und zog die Kinder allein gross. Heute hat sie fünf Enkelkinder.
Ihre Hobbies sind Gärtnern und Malen.
Yasmin und Athanasia
KINDHEIT
Die Fragen stellten Davide und Emil
Wo und wie sind sie aufgewachsen?
Ich wuchs in einer einfachen Familie in Zürich-Leimbach auf. Mein Vater arbeitete als Friedhofsgärtner, und meine Mutter war Verkäuferin. Als ich vier Jahre alt war, zogen wir – meine Eltern, meine Schwester und ich – zur Grossmutter. Sie hatte eine grosse Fünfzimmer-Wohnung. Das blieb dann auch die nächsten 30 Jahre so, was meiner Grossmutter sehr gefiel. Sie blühte richtig auf und wurde fast 90 Jahre alt.
Wir wohnten in einer Sackgasse in diesem Fünfzimmerhaus. Auf dem Wendeplatz für Autos spielten wir oft Völkerball. Die Bälle flogen ständig in die Nachbargärten, was die Leute ärgerte, zum Beispiel wenn ein Ball im Gartenbeet landete und einen Salat zerdrückte.
Ich war gerne draussen. Wir hatten einen grossen Garten, und mein Vater und ich machten oft Spaziergänge im Wald.
Hatten Sie damals auch Spielsachen?
Unser Spielzeug war meistens selbst gemacht. Wir durften die Werkstatt meines Grossvaters benutzen, die voll mit Werkzeugen und Brettern war. Einmal habe ich mir eine Puppenstube gebaut und verziert. Auch Puppen haben wir oft selbst gebastelt, aus Dingen, die wir fanden. Oder Stecken und Moos im Wald gesammelt und daraus Häuschen gebaut.
Gekauft haben wir fast nichts, da mein Vater als Friedhofsgärtner nur wenig verdiente. Wir waren auf unser eigenes Gemüse und Obst angewiesen. Wir Kinder mussten oft im Garten helfen.
Wie haben Sie Ihren Geburtstag gefeiert?
Geburtstage feierten wir stets mit Kerzen. Wir haben sie nicht ausgeblasen, wie man das heute macht, sondern liessen sie ganz hinunterbrennen. Schliesslich hatten sie viel Geld gekostet. Eine Tafel Schokolade, neue Socken oder ein selbstgestricktes Halstuch von der Grossmutter reichten aus, um uns glücklich zu machen.
Wie haben Sie die Primarschule erlebt?
Wir waren etwa 40 Schülerinnen und Schüler in unserer Klasse. Unsere Lehrerin war jung und unverheiratet, wie es damals oft der Fall war. Es herrschte eine strenge Disziplin. Wir mussten ruhig sein. In der vierten Klasse bekam ich einmal eine schallende Ohrfeige vom Lehrer, weil ich zu viel geschwatzt hatte. Danach musste ich eine ganze Stunde ruhig bleiben. Wir wurden nach einem strengen Programm erzogen: „Man macht das so und so. Jetzt geht ihr nach Hause und macht Aufgaben.“ Es war trotzdem eine schöne Zeit.
LEHRE, BERUFSSCHULE
Die Fragen stellten Devin, Pedro und Matteo
Weshalb haben Sie sich für eine Gärtnerlehre entschieden?
Meine Eltern wollten, dass ich nach der Sekundarschule ins Gymnasium gehe. Aber ich hatte genug von der Schule und wollte etwas mit den Händen machen. Mein Vater war Gärtner. Ich wollte auch Gärtnerin werden.
So nahm mich meine Mutter mit in eine grosse Blumengärtnerei in Zürich-Wiedikon, ohne uns telefonisch anzumelden. Sie verlangte nach dem Chef. Er kam: «Grüezi die Damen, was wollt ihr?“ Meine Mutter fragte, ob er eine Stelle für eine Lehrtochter habe. Der Chef musterte mich und fragte: Was hast du bis jetzt gemacht?» «Die Sekundarschule», antwortete ich. «Das ist natürlich interessant», sagte er. Die Gärtnerei hatte bereits vier Lernende, aber bisher keine aus der Sek. So konnte ich ein paar Wochen später in dieser Gärtnerei die dreijährige Lehre anfangen.
Wie war die Stimmung unter den Lernenden?
Wir waren fünf Stifte – drei Mädchen und zwei Jungs. Wir hatten guten Kontakt zueinander. Über das Wochenende gingen wir zusammen wandern, alle gleichberechtigt. Im ersten Lehrjahr verdienten wir 50 Franken im Monat, im zweiten 100 und im dritten 150 Franken. Der «Stiftenvater», so nannten wir unseren Ausbildner, teilte uns die Arbeit zu. Wir mussten ein Tagebuch führen, jeden Tag aufschreiben, was wir gemacht hatten.
Wie erlebten sie die Arbeit in der Gärtnerei?
Ich schwang mich am frühen Morgen in Wollishofen aufs Velo und fuhr eine halbe Stunde zur Arbeit nach Wiedikon. Um 12 Uhr war Pause, und um halb zwei ging es bis abends um sechs Uhr weiter mit der Arbeit. Ich arbeitete zudem jeden zweiten Samstag, und jeden vierten Sonntag. Sonntags war ich allein in der Gärtnerei.
Mein Chef war gross und stämmig. Der musste mich nur einmal kurz anschauen, wenn ich für einen kurzen Augenblick ein bisschen herumstand. Die Arbeit war sehr anstrengend. Ich habe mir durch diese «Krampferei» den Rücken kaputt gemacht.
Pedro: Wenn sie an die Berufsschule denken: Woran erinnern sie sich?
Einen Tag pro Woche besuchte ich die Berufsschule im Kreis Fünf. Wir waren eine grosse Klasse. Es gab auch einige Späteinsteiger um die 40, die zusammen mit uns 16-Jährigen die Berufsschule machten.
Eines Tages, als ich ins Schulzimmer reinkam, schaute mich der Lehrer an und sagte: «Fräulein Egli, gehen Sie heim und ziehen sie sich anständig an. Bei uns tragen Mädchen einen Rock, keine Hosen.»
Ich erwiderte: «Ich bleibe so, wie ich bin.» Wenn er gewusst hätte, dass ich mit meinem Töffli in die Schule gefahren war, hätte er wohl noch mehr ausgerufen.
Das Töffli habe ich mir mit 17 gekauft. Es hiess Quickly. Es war ein 49-Kubik-Ding mit einem 2,5-Liter-Tank. Das gibt’s heute nicht mehr. Mit dem bin ich herumgekurvt.
JUGENDALTER, ERSTE LIEBE
Die Fragen stellten Laila, Malin, Justine, Isabel und Sophie
Hatten Sie ihre erste Liebe schon als Teenager?
Ich wurde sehr streng erzogen. Ich war in einer Jugendbewegung. Wir Jungen und Mädels verbrachten zusammen Wochenenden und gingen wandern. Ich hatte also immer viele gleichaltrige Leute um mich herum. Wir waren alle gleichwertig und wir behandelten alle gleich. Aber sich verlieben – das gehörte sich nicht!
Bevor ich denjenigen kennenlernte, den ich heiratete, dachte ich, niemand will mich. Bis zur Konfirmation hatte ich lange Zöpfe. Ich war ein braves Mädchen, eher dick und ruhig. Daher interessierten sich die Jungs nicht für mich. Aber es kam so wie es kommen sollte, ich fand meinen Traummann.
Wann bekamen Sie ihren ersten Kuss?
Jetzt wollt ihr es aber wissen! Das war ein Drama. Ich war Fan von Motocross. Ich ging mit einer Freundin zu einem Rennen, als wir 17 Jahre alt waren. Sie sagte, dass sie einen Jungen mit seinem Kollegen treffe. Ich kannte beide schon. Wir zwei Mädchen und zwei Jungs plauderten also und schauten dem Motocrossrennen zu.
Als das Rennen zu Ende war, sagte der Junge, er müsse tanken gehen. Doch bevor er ging, sagte er: «Du gefällst mir.» Er umarmte mich und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Später fragte er meine Freundin, ob ich je einen Kuss bekommen hätte und ob ich nicht wisse, wie Küssen geht. Offenbar hatte er herausgefunden, dass ich noch sehr jung und naiv war.
Wie haben Sie gemerkt, dass Sie sich in jemanden verliebt haben?
Ich verliebte mich, wenn er ein schöner Mann war. Es ging sehr lange, bis ich jemanden traf. Ich hatte schon ein paar Heiratsanträge bekommen, aber immer Nein gesagt. Ich wollte auf den Richtigen warten.
Doch dann lernte ich einen interessanten Burschen kennen. Wir waren in einer Jugendgruppe der FKK-Bewegung. FKK heisst Freikörperkultur, also Männlein und Weiblein – alle splitternackt. Man zeltete nackt, machte Sport und sogar Ballspiele. Der Bursche wurde mein späterer Ehemann. Es dauerte aber noch etwas. Er musste scharren, nett sein.
Haben Sie sich mehrmals verliebt?
Hundert Mal. Ich habe mich immer wieder verliebt. Es gab schon damals diese Teenie-Wechselgefühle: Himmel hoch jauchzend und zu Tode betrübt. Das ist normal in jedem Leben. Darüber muss man hinwegkommen.
Wie war es damals mit Verhütung und Schwangerschaft?
Zu meiner Zeit gab es noch keine Antibabypille. Gar nichts. Man musste meistens heiraten, wenn es Kinder gab. So war es auch bei mir. Ausgehen und Freundschaft gut, aber heiraten und eine Familie gründen wollte ich im jungen Alter noch nicht. Ich hätte mich besser auf mein Bauchgefühlt verlassen. Mit 22 Jahren wurde ich das erste Mal schwanger. Da hiess es: «Du musst heiraten.» Heute habt ihr es gut mit der Antibabypille.
ERWACHSEN, HEIRAT, FAMILIE, SCHEIDUNG
Die Fragen stellten Anna, Yalda, Yasmin und Athanasia
Was haben sie nach der Heirat gemacht?
Nach der Heirat wurde ich Hausfrau, weil ich mir bei der strengen Arbeit als Gärtnerin den Rücken kaputt gemacht hatte. Den Haushalt hielt ich immer in Ordnung, aber ich wollte noch etwas Neues erleben. Ich arbeitete weiter nebenbei, auch nachdem unser erstes Kind geboren wurde: Als Aushilfe in der Dorfbeiz aus oder in der Gärtnerei. Und ich half den Bauern bei der «Wümmet», der Traubenlese, und bei der Kartoffelernte.
Wir bekamen drei Kinder. Sie waren neun, sieben und drei Jahre alt, als ich mich scheiden liess. Ich wollte nicht mehr mit meinem Ehemann zusammenleben. Er bedrängte mich und behandelte mich schlecht. Also reichte ich die Scheidung ein.
Welche Folgen hatte die Scheidung?
Der Scheidungsprozess war sehr belastend. Zwei Richter, mein Mann mit seinem Anwalt und ich mit meinem Anwalt: Ich war die einzige Frau in der Gerichtsverhandlung. Die Herren diskutierten. Der Anwalt meines Mannes zählte auf, was ich alles gemacht hätte, bis der Richter sagte, das sei unter der Gürtellinie, er hätte bei einer solchen Frau auch so reagiert. Davon, was mein Mann gemacht hatte, sprach man nicht.
Ich hatte eine solche Wut, dass ich schliesslich einwilligte, auf Unterhaltszahlungen zu verzichten, obwohl ich Anspruch darauf gehabt hätte. Ich wollte bei ihm niemals um Geld betteln müssen, weil er sowieso jeden Monat ein Theater daraus gemacht hätte. Rückblickend bereue ich diese Entscheidung nicht, auch wenn es nicht leicht war.
Einen Dank habe ich dafür nie erhalten. Nach der Scheidung 1975 habe ich mein Geld immer selbst verdient. Darauf bin ich heute noch stolz.
ARBEIT UND POLITIK
Die Fragen stellten Pierre, Antonia und Leonie
Haben sie auch für das Frauenstimmrecht gekämpft? Und wenn ja, wie?
Ja. Das Frauenstimmrecht war mir ein grosses Anliegen. Vor allem wegen dem Mann, den ich geheiratet habe. Er war ganz auf der rechten Seite, der SVP, und ich war eine ausgesprochene Linke.
Die Abstimmung war 1971. Damals war ich schwanger mit dem dritten Kind. Mein Mann sagte mir nie, wie er abstimmte und wie viel Geld er verdiente. Ich war einfach seine Ehefrau und die Mutter seiner Kinder, aber sonst hatte ich kein Recht in dieser Ehe. Ich fragte ihn, wie er beim Frauenstimmrecht abgestimmt habe. Er schwieg, aber ich fand heraus, dass er dagegen war. Er hatte ja „sein Tanteli“ zuhause, das ihm den Haushalt machte. Ich hingegen fand: „Das mache ich nicht mehr lange mit.“
Wie haben Sie sich gefühlt, als die Frauen 1971 das Stimmrecht bekommen haben?
Selbstverständlich sehr gut. Meine Grossmutter wurde 1885 geboren. Sie hatte nach dem Krieg auf der Bahnhofstrasse in der Stadt Zürich für die AHV demonstriert. Und meine Mutter demonstrierte mit Fackeln und Fahnen für das Frauenstimmrecht. Sie war eine Frauenrechtlerin, hatte aber einen guten Mann und eine gute Familie. Wir wurden alle miteinander politisiert. Und darum war ich dagegen, dass die Frauen ihren Namen hergeben mussten und die Kinder den Namen des Vaters bekamen. Ich dachte, dass nach der Einführung des Frauenstimmrechts bessere Zeiten kämen. Aber so gut sind sie doch nicht geworden.
Wie haben die Männer in Ihrem Umfeld auf diese Veränderung reagiert?
Tja, das war meine 50-50-Ehe. Meine Bekannten waren links und vertraten meine Meinungen. Und die meines Ex-Mannes – das war der „rechte Kuchen“.
Gab es auch Frauen, die gegen das Frauenstimmrecht waren? Können Sie sich vorstellen, warum?
Ja, es gab solche Frauen, die jahrzehntelang ihren Männern «hinterhergetappelt» sind. Und immer taten, was diese sagten. Es gibt auch heute noch Frauen, die einfach heiraten und Kinder haben. Jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht böse rede. Es gibt auch Hausfrauen, die gar nichts anderes wollen, als Kinder auf die Welt zu stellen. Warum nicht, das ist ihr Recht. Aber meine Freundinnen könnten es nicht sein.
Waren Sie bei der Arbeit gegenüber Männern in irgendeiner Weise benachteiligt?
Nach der Gärtnerlehre ging ich für ein Jahr nach England, um Englisch zu lernen. Danach fand ich eine Stelle im Botanischen Garten in Zürich. Der gehörte zur Universität. Ich war die erste Frau, die dort als Gärtnerin arbeitete. Es gab keine Garderobe für mich und dieses und jenes fehlte. Die waren nur auf Männer ausgerichtet.
Ich musste ein wenig Pionierarbeit leisten und mich möglichst bewähren. Natürlich starrten mich alle sieben Männer am ersten Tag an, so quasi: «Was machst du denn da?» Aber gesagt haben sie nichts. Ich fand: «Jetzt hat es eben erstmals eine Frau in diesem Garten. Jetzt müsst ihr euch umstellen.»
Mindestens einer von diesen sieben stellte mir später nach, beobachtete mich überall. Heute nennt man das einen „Stalker“. Überall, wo ich war, war auch er. Er sass im Vorstand.
Ich sagte ihm: „Jetzt ist fertig. Ich will dich nicht mehr sehen. Du lässt mich jetzt in Ruhe.“ Darauf kehrte er den Spiess gegen mich um. Er war mein Vorgesetzter. Er liess mich krampfen. Ich musste tagelang Dreck schaufeln, Schubkarren stossen und schwere Arbeiten machen. Er freute sich: „Jetzt siehst du mal, wie das ist, wenn man als Frau in einer Firma arbeiten will, in der nur Männer sind.“ Das war eine unglückliche Sache.
NACH 1980, AUSBLICK
Die Fragen stellten Guy, Janis, David und Pekka
Machen wir einen Sprung in die 80er-Jahre und ins 21. Jahrhundert. Was hat sich verändert?
Ich muss jetzt lachen. Und ihr werdet nachher auch lachen. Ich habe mal für die Zeitung geschrieben. Dort konnte ich auf meiner elektrischen Maschine mit der Korrekturtasche „töggele“. Doch eines Tages hiess es: „Schreiben Sie das bitte am Computer.“ Jahrelang hatte ich die Arbeit an meiner Schreibmaschine gemacht. Und jetzt sollte dies nicht mehr möglich sein?
In den 90er-Jahren arbeitete ich bei der Gemeinde Thalwil als Garten- und Kompostberaterin. Ich verdiente damals 50 Franken in der Stunde, das war natürlich super. Und Ich konnte von zu Hause arbeiten, hatte ein Homeoffice. Doch auch hier fanden sie eines Tages, jetzt müsse alles digital sein. Als ich an der Gemeindeversammlung in Thalwil ein Referat halten musste, nahm mein Sohn einen Hellraumprojektor mit. Man legte die Folien, auf den Projektor und projizierte die Bilder auf einen Bildschirm. Das war mein letzter öffentlicher Auftritt.
Früher gab es nur sehr schwere und grosse Computer mit wenig Leistung. Heute gibt es kleine Handys, die in grosse Taschen passen. Wie finden Sie diese Veränderungen?
Diese Veränderung war der Wahnsinn. Ich habe manchmal Wochenendkurse für eine Frauen-zeitschrift geleitet. Es gab auch einen Computerkurs. Die haben uns die Apparate gezeigt, die ersten wirklich monströsen Geräte. Was man heute hat, ist gut. Das ist eine Entwicklung, die man nicht mehr rückgängig machen kann. Die meisten müssen hier auch mitmachen, denn es ist eine Frage des Berufs. Heute ist sogar eine Armbanduhr ein Computer. Da komme ich nicht mehr mit. Aber es gibt genug andere, die daran Freude haben.
Haben sie als Rentnerin denn keinen Computer oder ein Handy?
Ich hatte einen Laptop zu Hause und probierte ihn aus, nahm Computerkurse. Doch dann habe ich mich dagegen entschieden. Ich habe so viel in meinem Leben gemacht. Vor dem Bildschirm sitzen mit dieser ständigen Bestrahlung. Davor hatte ich Angst und beschloss: „, Das mache ich jetzt nicht mehr mit.“ Ich habe kein Smartphone, keinen Computer, rein nichts.
Ich bin froh, dass ich das alles nicht lernen muss. Man hat mich komisch angeschaut. Doch ich habe immer gesagt: „Es liegt nicht daran, dass ich es nicht schaffe, ich habe einfach keine Lust.“
Heutzutage hört man Musik, wie Rap oder Pop. Und geht an Konzerte. Wie war es früher mit der Musik? Was hat man damals gehört?
Es gab in der Stadt Zürich viele Jazz-Keller, das waren teure Bars. Dorthin ging ich vor allem nach der Scheidung in den 70er Jahren, mit einer Freundin. Am Freitag hatten wir frei. Wir gaben den Kindern etwas zu essen und gingen am Abend aus.
Es gab zu dieser Zeit etwa sechs Jazz-Lokale in der Stadt Zürich. Mein Favorit war Dixieland-Musik. Die Piccadilly Six und Dixieland – diese zwei Bands mochte ich am meisten. An einer Jazz-Veranstaltung zogen wir fünf Tage hintereinander von einem Jazz-Lokal ins andere. Das war meine Musik.
Klassische Musik habe ich auch sehr gerne. Aber damals war ein Konzertbesuch immer eine Kostenfrage. Mein Götti hat mich einmal in die Tonhalle eingeladen, schickes Konzert.
In der Schule hatte ich Blockflöte gelernt, wie es alle machten. Danach spielte ich Gitarre. Beim Wandern nahmen wir die Gitarre mit und sangen.
Kunst mag ich auch sehr. Ich habe selbstjahrelang Malkurse genommen und viele Bilder verkauft. Ich ging gerne an Kunstausstellungen für moderne wie auch ältere Kunst. Ich finde Kunst toll. Sie verbindet die Menschheit. Man muss nicht miteinander reden, wenn man sich Bilder anschaut. Man kann sich die eigenen Gedanken machen.
Wie hat sich ihrer Meinung nach am stärksten verändert?
Ich glaube, Zürich in den 60er Jahren war echt langweilig. Das war nichts im Vergleich zu dem, was wir heute haben an öffentlichen Räumen, Strassen, Cafés und mehr. Die Vielfalt der Lebensformen ist heute viel grösser. Das ist die markanteste Veränderung.
Politisch ist die Position der Frauen die grösste Veränderung der letzten 100 Jahren. Das ist einer der grossen Fortschritte.
Was ist rückblickend für sie persönlich die schönste Zeit?
Die Lebensphase von 1976 an, nach der Scheidung, war meine schönste Lebensphase. Seitdem höre ich nicht auf zu geniessen.
Vorher, als ich die drei Kinder allein durchbringen musste, habe ich fünf Jobs gleichzeitig gemacht. für die Zeitung geschrieben, gemalt, „gebügelt“, Gartenarbeit gemacht. Alles, um Geld zu verdienen.
Ich bin mit 83 Jahren nicht mehr von dieser Welt. Ich mache noch mit, was ich kann und versuche, das Leben noch etwas zu geniessen.
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Interessante Fragen mit informativen Antworten! G.B.